Die TK5 - Grundigs erster rotierender Bestseller
#1
Moin, moin,

das Räumen geht weiter. im Januar habe ich an einigen Grundigs herum geschraubt und mir ein paar Fragen gestellt ...


Aufnahmegeräte für den privaten Anwender hatte es im Deutschen Reich, vielleicht abgesehen von dem Drahttonbandgerät der Firma Lorenz, nicht wirklich gegeben. Recorder für Wachswalzen, Wachsplatten, Acetat-Discs oder andere Medien werden zu Zeiten von Diktatur und Krieg nicht eben reißenden Absatz gefunden haben.
In Zeiten von Zerstörung und beginnendem Wiederaufbau in Deutschland dann auch nicht. Ganz egal, was die Technik gekonnt hatte.

   

Da das Magnetophon als Studioausführung allen Anforderungen hinsichtlich Qualität entspricht, so setzt sich die heutige Entwicklung zum Ziele, neben dieser kostspieligen Ausführung billigere Heimmagnetophone herzustellen, die ohne wesentliche Qualitätseinbuße einem breiteren Publikum erschwinglich sein sollen. ...“ [1]
Denkbare Anwendungen so eines „Heimmagnetophons“ mochte der Herr Dipl.-Ing. Dr. techn. Friedrich Krones, später bei den Wiener Radiowerken und Entwickler bei Agfa, in seinem Anfang 1952 erschienenen Buch jedoch nicht nennen. Er beschäftigte sich mit den Themen Zeitverzögerung, künstlicher Nachhall, Sprachverschleierung, Schallplattenherstellung, Aufzeichnung von Ausgleichsvorgängen, Kurzzeitmessung, Ankündigungszwecke, Telephonie und Telegraphie, Diktiergeräte und Film.

Es mag die reine technische Faszination gewesen sein, die die ersten privaten Käufer von Magnettonbandgeräten animiert hatte, viel Geld für ein frühes Gerät auszugeben, viel Geld für Bänder auszugeben. „Viel Geld“ jedenfalls im zeitgenössischen Kontext.
Beispielsweise hatte der Hörspielautor Christian Bock um 1950 bald 3.200 Mark für eine AEG AW 1 samt Siemens-Mikrofon investiert und dem NWDR im Jahre 1951 von seinem Aufwand für die Herstellung einer 20-Minuten-Sendung berichtet: „Abgesehen von der Arbeit für über 200 Schnitte verbrauchte ich allein für 240 DM Bandmaterial“ [2].
Der durchschnittliche Monatslohn hatte 1951 noch bei 141 D-Mark gelegen.

Und so konstatierte Karl Tetzner für DIE ZEIT in einem Bericht über „Die große Radio- und Fernsehschau in Düsseldorf“ noch vom 3.09.1953, „... Für den Liebhaber, der sie bezahlen kann, stehen technisch hochinteressante Fernseh-, Rundfunk-, Plattenspieler-, Tonbandkombinationen bereit. …“ [3]

... der sie bezahlen kann ...“ Herr Bock hatte für seine 20-Minuten-Sendung 1.500 Mark Honorar erhalten. Was hätten Käufer, die ihre Ausrüstung nicht zum Geld-Verdienen einsetzen konnten, anders motivieren können, als die Faszination an sich? Denn welches Orchester, welche Band kam schon, in hinreichender Nähe zur nächsten Steckdose, zum privaten Tonbandgeräte-Besitzer, um ihr Repertoire vorzustellen? Und vorbespielte Bänder hatte es in Deutschland noch nicht gegeben. In der ersten Hälfte der fünfziger Jahre hatte es nicht die Möglichkeit gegeben, Magnetbänder industriell - also anders als Stück für Stück - zu kopieren [4].
Das änderte sich erst als 1954 in England vorbespielte His Masters Voice-Bänder auf den Markt kamen. Allerdings entsprach deren Spurlage der British Standard Specification (B.S. 1568:1953 und B.S. 2478:1954 „Magnetic Tape for Domestic and Commercial Recording“), die, wollte man nun nicht mehr nur die eigenen Aufnahmen abspielen, vom Abspielgerät eingehalten werden musste. Beispielsweise ältere Truvox Mark. III- oder Grundig 500L- und 700L-Tonbandgeräte hätten für umrum 50 Mark umgerüstet werden müssen. Erst beispielsweise die neuen TK9 und TK819 waren, so berichtete WIRELESS WORLD im Oktober 1954 [5], für das im Vorjahr verabschiedete Format eingerichtet gewesen.

Was dem Privatmenschen blieb war das Kopieren von Schallplatten, der Mitschnitt aus dem Radio, die Aufnahme der Stimmen der Kinder oder von Hausmusik. Und das, Anfang der fünfziger Jahre, zu einem Preis, der heute einem Gegenwert von sicher deutlich mehr als hundert Euro pro Stunde nur an Kosten für das Bandmaterial entsprechen würde.

Freilich kursierten professionelle Aufnahmen aus geplünderten Archiven: Auch deren Verwalter hatten in schlechten Zeiten Geld gebraucht. Doch waren solche Bänder meist in die zahlungskräftigeren USA gegangen, wo sie als Programm für die vielen Radiostationen und als Grundlage für billige Schallplatten-Pressungen dienten. Und genug Material, einen Massenmarkt zu versorgen, schafften solche Plünderungen nicht. Zudem der „Verleih-Preis“ von fünfzig Mark pro Band und Nacht, mit dem sich 1953 beispielsweise ein Archiv-Mitarbeiter des NWDR einen Zusatzverdienst beschert hatte [6], für einen Durchschnittsbürger mit 157 D-Mark Einkommen kaum zu bezahlen gewesen sein dürfte.

Zudem bestand das Problem, dass Anfang der fünfziger Jahre die GEMA die Frage aufgeworfen hatte, ob das Kopieren von Schallplatten oder das Aufzeichnen von Radiosendungen nicht die Existenzgrundlage ihrer Künstler zerstören würde [4].
In Zeiten, in denen die Hersteller und der Handel, per Gerichtsentscheid, genötigt werden sollten, die Adressen der Tonbandgeräte-Käufer an die GEMA weiter zu geben und Zusatz-Verträge mit dem Kunden abschließen sollten, dass die ihre Geräte keinesfalls für Aufnahmen für Musik von GEMA-Mitgliedern verwenden dürften, hatte das Tonbandgerät sicher noch kein Massenartikel werden können. In Zeiten, in denen diskutiert wurde, nicht nur jedes verkaufte Gerät mit einer Gebühr zu belasten, sondern ebenso jede Aufnahme- und zusätzlich jede abgespielte Minute pauschal zu „besteuern", dürfte es schwierig gewesen sein, hinreichend Käuferinteresse für ein Massengeschäft zu wecken.
Wer hatte sich unter solchen Bedingungen gar für Hi-Fi-Bandgeräte interessieren sollen?

Und selbst noch 1957 musste Grundig in die Einleitung der Bedienungsanleitung einer TK 5 folgenden Text einstellen: „Wenn Sie mit diesem Gerät in der Bundesrepublik oder in West-Berlin aber Rundfunksendungen aufnehmen und wiedergeben wollen, die Werke des Repertoires der Gesellschaft für musikalische Aufführungsrechte, Berlin, (GEMA) enthalten, bedarf es hierzu, auch wenn die Aufnahme für den persönlichen Gebrauch geschieht, der Einwilligung der GEMA. Falls Sie Schallplatten im Gebiet der Bundesrepublik oder West-Berlin aufnehmen oder wiedergeben wollen, bedarf es der Einwilligung der betreffenden Schallplattenfirma. ...“ [7]
Die Sache mit dem „persönlichen Gebrauch“ war noch nicht wirklich geklärt gewesen.


Was blieb war also selbstgemachtes Programm, die „Tonjagd": „Tonjäger ist die wörtliche Übersetzung des französischen „chasseurs de sons". (...) Die Besitzer von Tonaufnahmegeräten - mit Mikrophon und Band - machen auf alles Jagd, was ihnen eine Aufnahme wert erscheint. …“ [8]
Im Mai 1953 berichtete DER SPIEGEL weiter, „... Die „Tonjägerei", dieses Hobby, akustische Schnappschüsse zu sammeln, ist in Frankreich schon seit gut fünf Jahren im Schwange. In Deutschland hat erst in den letzten sieben Monaten Walter Schorsch-Oberhausen, im Zivilberuf Direktor der französischen Bibliothek der deutschfranzösischen Gesellschaft, begonnen, die „Zünftigen“ im Deutschen Tonjägerverband, Sitz Nürnberg, zu sammeln. Aus der Zahl der deutschen Besitzer von Heimtonbandgeräten, die Schorsch-Oberhausen auf 10 000 schätzt, sind 4000 Interessenten beim Verband eingetragen; die Mitgliederzahl liegt allerdings noch niedriger. Immerhin haben die Tonjäger bereits eine eigene Zeitung und eigene Ausweise. …“ [8]

Und da wo der „Aufnehmende", der Jäger, sicher eine Faszination bei jeglicher „Tonjagd“ empfunden haben mag, wird diese Freude nicht unbedingt von jedem „Aufgenommenen", dem Opfer, geteilt worden sein. Insbesondere die französischen Tonjäger waren dafür bekannt, wenig Privatsphäre zu respektieren, und hatten zudem die Möglichkeit gehabt, jeden Samstag Nachmittag die Produkte ihrer Arbeit auch noch über das Pariser Radiodiffusion zu veröffentlichen. Ihre „Opfer“ konnten sich also im Radio hören. Und alle anderen auch.
Zudem hatte es in der ersten Hälfte der fünfziger Jahre in Deutschland viele Enthüllungen gegeben, an denen Tonbandaufzeichnungen beteiligt gewesen waren. So mancher Befragte, der es bisher gewohnt gewesen war, dass ein Reporter sich seine Antworten nur merkte, bestenfalls mitschrieb, war „... peinlich berührt, als er abends im „Echo des Tages“ hörte, was er mittags freimütig in die Fernsprechmuschel geäußert hatte ...“ [9]. Auch probierten Radiomacher die neue Technik in durchaus indiskret scheinender Weise aus: So dürften die „Bocksprünge“ [2] des erwähnten Hörspielautors Christian Bock, in denen er 1951 auch heimliche Mitschnitte aus dem Mehrfamilienhaus, in dem er wohnte, zu Sendungen montiert hatte, hier und da bei den Zuhörern die Befürchtung geweckt haben, sie könnten vielleicht auch bald ungewollt im Radio auftreten. So wie in Frankreich.
"Nach der bekannten Stuttgarter Tonbandaffäre hat der Abgeordnete Dr. Bucerius 1953 einen Antrag eingebracht, wonach mit Gefängnis bestraft werden sollte, wer das gesprochene Wort eines Menschen ohne dessen Zustimmung auf einem Tonwiedergabegerät aufnimmt oder von einer solchen Aufnahme Gebrauch macht. Das war ein dankenswerter Versuch, einer gefährlichen Unsitte zu steuern.“ [10] schrieb Michael Freund anlässlich einer neuen Tonbandaffäre. Für DIE ZEIT fasste er die empfundene Situation Ende 1956 zusammen: „Das Tonband kann zur Teufelszange werden, die dem Menschen das Innerste und Privateste, das, was er „laut gedacht hat“, entreißt.“ [10] Auch Karl Nils Nicolaus sah das nicht viel anders: „Hat der Teufel überall seine Mikrophone?“ [11]
DER SPIEGEL berichtete beispielsweise im April 1957 von einer Folge solcher Befürchtungen der Abgehörten, somit von der Stimmung Mancher der Tonjagd gegenüber: „Der Lehrrat“ eines Stuttgarter Gymnasiums hätte in der ungefragten Aufzeichnung einer Unterrichtsstunde durch einen Schüler, mit Hilfe der Stenorette des Vaters, sogar „... eine Bedrohung der Freiheit des Lehrens und Unterrichtens ...“ gesehen! [12]. Heute werden Vorlesungen im Internet übertragen. Damals war die Aufnahme vernichtet und der Schüler der Schule verwiesen worden.
Schließlich hatte der BGH im Juli 1958 geurteilt: „Tonbandaufnahmen von Privatgesprächen sind widerrechtlich. (…) Zwar muß jeder Gesprächspartner die Verantwortung für seine Worte tragen … doch bedeutet es eine entscheidende Verkümmerung des Menschen in der Entfaltung seiner Persönlichkeit, wenn er als Gesprächsteilnehmer befürchten muß, ohne sein Wissen auf jede Wendung eines Gesprächs, ja auf den Klang seiner Stimme mit allen Besonderheiten und Unvollkommenheiten festgelegt zu werden.“ DIE ZEIT sah in dem Urteil eine Reaktion auf die „grassierende Tonbandseuche“, auf die zu reagieren „... der Bundestag bislang versäumt hat.“ [13]

Was blieb war tatsächlich die Jagd auf Geräusche, die DIE ZEIT im September 1957 beschrieb: „Den zahlreichen Münchner Jugendklubs hat sich jetzt ein neuer hinzugesellt: die 'Junge Welle', deren zwei Dutzend Mitglieder sich vorwiegend mit dem Sammeln seltsamer Geräusche beschäftigen. Isarrauschen und Grillengezirp, den Lärm des Straßenverkehrs oder den Glockenschlag der Frauenkirche bannen die Klubmitglieder – meist Schüler im Alter von 13 bis 20 Jahren – auf Tonband. Ein Prachtstück ihrer Sammlung: das unnachahmliche Geräusch, das beim Anzapfen eines Bierfasses entsteht. ...“ [14]
War es also vor allem eine neue, junge Generation gewesen, die sich für das Tonbandgerät hatte begeistern können, als es dann begann erschwinglich zu werden?
Doch auch jene, die derart rücksichtsvoll auf Tonjagd gewesen waren, sich auf interessante Geräusche beschränkt hatten, die wollten ihre Erfolge am Ende nicht nur archivieren. Doch, „... the only people content to keep still long enough to listen to collections of interesting sounds were coma victims ...“ [15], wird von der britischen Radio-Ikone Kenny Everett überliefert.


Wer also war der Nutzer des Tonbandgerätes, abseits der Tonstudios, in den fünfziger Jahren gewesen?
Die Bundespost hatte im Sommer 1957 dem Unternehmer Helmut Epperlein die erste Telefon-Reklame mit einem Tonband genehmigt. Wer die Rufnummer der Pforzheimer Uhrenfabrik angewählt hatte, der bekam zuerst eine aufgezeichnete Ansage vorgespielt: „Der Name ist Epperlein - die Armbanduhr ist elektrisch. Einen Augenblick bitte, Sie werden sofort verbunden.“ [16] Erst dann ging ein Mensch ans Telefon. Epperlein hatte im Juli 1958 die erste elektrische Armbanduhr einführen wollen. Doch waren solche Anwendungen eben kein Massenmarkt gewesen.

Allerdings konnte Dr. Dieter H. Meyer in seiner „Geschichte der Sprachlabore an der Universität Erlangen-Nürnberg“ berichten, „... bis Mitte der fünfziger Jahre waren diese Geräte so weit entwickelt, daß sie zu 'publikumsfreundlichen Preisen' in den Handel kommen konnten. Das Fürther Unternehmen Grundig ... brachte um 1955 das erste Tonbandgerät für weniger als 500 DM auf den Markt.“ [19]
Gemeint ist das erst „komplette“ Tonbandgerät zu diesem Preis, also mit eingebautem Verstärker und Lautsprecher.

Auch wenn der niedersächsische Pastor, der mit seiner TK 5 einen Gottesdienst aufgezeichnet hatte, um seiner Gemeinde quasi selber predigen zu können, obwohl er zeitgleich „anderwärts dienstlichen Pflichten“ [17] hatte nachkommen müssen, anno 1956 ebenso wenig den Normalbürger repräsentiert hatte, wie die Rosemarie Nitribitt, der man nachgesagt hatte, sie würde ihre Freier mit Hilfe eines Grundig TM5 abhören, das in ihrer Ilse-Musiktruhe verbaut gewesen war [18], wurden die Tonbandgeräte mit diesem Modell doch langsam auch für den Normalbürger bezahlbar.
So für die bereits erwähnten Jugendlichen. So vielleicht auch für den jungen Carl-Dieter Heckscher, der mit Hilfe solch einer Bandmaschine seinem Stottern Herr zu werden versucht hatte. „Er sprach irgendwelche Sätze auf sein TK-5-Tonbandgerät von Grundig um die Fehler zu analysieren ...“ [20]. Ob das TK5 Herrn Heck am Ende geholfen hat? Stottern habe ich ihn bei der „Schlagerparade“ jedenfalls nie gehört.

   

Die Grundig TK-5 war also wohl das erste wirklich bezahlbare Bandgerät gewesen, das zudem in einer Zeit debütiert hatte, als die Löhne der Bevölkerung langsam stiegen, als [url='https://de.wikipedia.org/wiki/40-Stunden-Woche']Arbeitszeitverkürzung[/url] und damit etwas mehr Freizeit langsam erreichbar schien.
Zudem war die Grundig vergleichsweise klein und leicht gewesen. Zehn Kilo Lebendgewicht und für Spulen von 15 cm Durchmesser geeignet. „15cm“ bedeutet, solche Spulen waren preiswerter gewesen, als die der 18 cm-Grundig-Bandgeräte. Wer erinnert sich nicht an die ersten eigenen Cassetten-Käufe in den Siebzigern? Hatten wir als Schüler BASF-Cassetten gekauft, oder doch lieber einige mehr von den preiswerteren „Weltfunk"?
Und die Grundig sparte das Band mit nur einer Bandgeschwindigkeit: Die 9,5 cm/s waren das damals minimal Machbare für einen universellen Einsatz.
Und eine Grundig bot, trotz der nur 9,5 cm/s Bandgeschwindigkeit in monophoner Halbspurtechnik, eine anhörbare Qualität, die zumindest nominell dem entsprochen hatte, was nur wenige Jahre zuvor Studiomaschinen bei Vollspur und 77 cm/s vorbehalten gewesen war.

Und so erklärt sich die Beschreibung, mit der die britische WIRELESS WORLD die neue TK 5 angekündigt hatte: „A new Grundig model (TK5) is a single-speed machine (3 3/4 in/sec) designed to give a performance comparable to the earlier TK9 at a reduced price. …“ [21]

   
(Grundig TK9)

Und dieses Versprechen hatten die Fürther auch tatsächlich eingehalten, wie die Autoren James Hogg und Robert Sellers in einer Biographie bemerkten. Für die beiden Briten war die TK5 … one of the first really good reel-to-reel tape recorders made for the domestic market.“ [22]


Nebenbei war das im Mai 1955 erschienene TK 5 wohl das erste Tonbandgerät gewesen, das gänzlich im Hause Grundig entwickelt worden war. Sie war die erste Grundig-Bandmaschine, die nicht von Curt Bier ersonnen worden war oder in dem Ruf steht, ein Plagiat auf der Basis der Ideen von Herrn Bier gewesen zu sein. Für die Firma Grundig ein Meilenstein.

Grundig hatte zu den ersten Firmen gehört, die in den frühen fünfziger Jahren mit dem Verkauf von Tonbandgeräten begonnen hatte, die nicht für den Studio-Betrieb oder den professionellen Reportage-Bedarf konzipiert gewesen waren. Und die Firma Grundig hatte quasi von Beginn an den Massenmarkt im Blick gehabt: In ihrem Buch über die Geschichte des Copyrights schreibt Frau Prof. Dr. Monika Dommann, „Grundig's Geschäftsphilosophie folgte dem Ford'schen Prinzip: Durch die Entwicklung von immer günstigeren Geräten neue Käuferschichten zu erschließen. Auf das erste Tonband im Jahr 1951, das weniger als 1.000 Mark kostete, folgte 1955 der Grundig TK5 (unter 500 DM) und schließlich 1957 TK20 (380 DM) der zum Bestseller wurde.“ [23] Also war die Entwicklung, hin zu der TK5, konsequent gewesen.
Konsequent, zumal der Radiomarkt Mitte der fünfziger Jahre irgendwann gesättigt schien und Fernsehen noch immer teuer war: Anfang 1955 berichtete DIE ZEIT, in der zweiten Jahreshälfte 1954 war die Geräteproduktion in Deutschland gedrosselt worden. „... Aus dem Großhandel verlautet, daß, im Durchschnitt gesehen, die Umsätze in „Heimgeräten“ (Tischempfänger) im Wert um etwa 15 v. H. abgesunken sind …“ [24], stattdessen wären mehr Plattenspieler oder Kombinationen mit Plattenspielern verkauft worden.

Noch 1953 hatte der oberste Tonjäger, Walter Schorsch-Oberhausen, konstatiert, im Ausland wäre man an den deutschen Tonbandgeräten interessiert gewesen, hätte sie jedoch nicht bekommen können. Der Industrieverband hätte sich allerdings nicht interessiert gezeigt, an dem Jahrestreffen der Tonjäger in Paris teilzunehmen, obwohl doch beispielsweise die US-amerikanischen Anbieter schon auf der Veranstaltung in Basel mit Delegation vertreten gewesen waren.

Grundig hatte, so die Unternehmensmeldungen vom 12.03.1953 in DIE ZEIT, „... im Geschäftsjahr 1952 ... insgesamt 539 026 Radiogeräte aller Serien hergestellt, darunter 507 538 Super mit UKW-Teil, 11 497 Musikschränke, 19 792 Tonbandgeräte und 379 Fernsehempfänger.“ [25]
Noch 1952 hatte Grundig also im ganzen Jahr keine zwanzigtausend Geräte gefertigt gehabt. Schon 1957 weihte Max Grundig, so DIE ZEIT am 31.10. jenes Jahres, seine siebte Fertigungsstelle, „... ein für eine 1000-Stück-Tagesproduktion von Tonbandgeräten auf die grüne Wiese gesetztes Werk in Bayreuth …“ [26], ein.


Von Beginn an hatte Grundig einen bedeutenden Export-Anteil gehabt. In den europäischen Ländern war man mit eigenen Büros und Tochterfirmen vor Ort. In den USA war Majestic Distributor gewesen, verkaufte nach eigenen Angaben mehr „Grundig AM-FM Sets“ [27] als alle anderen europäischen Marken zusammen, und hatte auch die großen Bandmaschinen unter dem „Grundig-Majestic“-Label angeboten gehabt. Am 12 Februar 1955 meldete Steve Schickel in den HiFi-Nachrichten in der BILLBOARD, „DeJur-Amsco Corporation, New York, ... was slated to handle the Grundig line of tape recorders in this country. (..) It was not learned whether the tape recorders carry the Grundig or the DeJur label.“ [28] Zumindest was die Stenorette anging, wurde es wohl „DeJur". Eine DeJur TK-5 ist mir allerdings nicht untergekommen, eine Majestic TK5 hingegen schon.

Schon 1955, so berichtete der Fürther Stadtheimatpfleger Alexander Meyer in seinem Buch (S.58), war „... Grundig der größte Tonbandhersteller der Welt und produzierte in Deutschland 92 Prozent der Tonbandgeräte …“ [29].
Am 9.8.1956 berichtete DIE ZEIT über Grundig, „Der Bedarf an Tonbandgeräten, die vor allem von den USA, England und Schweden gut gekauft werden, könne nicht gedeckt werden.“ [30] Solche Tonbandgeräte waren nicht mehr die Boliden vom Schlage der Reporter gewesen, sondern die Grundig TK5, die 1955 in Deutschland und zum Beispiel 1956 in England eingeführt worden war.

Peter Frame erwähnte in seinem 2007 erschienenen Buch „The restless Generation“ unter anderem auch die Bedeutung dieser Bandmaschine für die britische Jugend in den fünfziger Jahren: „a Grundig TK 5 on a wooden chair, on a wooden floor, in a sparsely populated ballroom, captured the 17-year-old kid who wanted to be famous. He could sing every song that Elvis had ever recorded, and did, from Heartbreak Hotel to Hard Headed Women, Milk Cow Blues to Money Honey. All Jerry Lee, much of the Gene and Little Richard, ...“ [31, S.334]

Einer dieser Jugendlichen war Maurice James Christopher Cole (1944-95) gewesen, der im Alter von dreizehn Jahren, beim Besuchen eines Freundes, Gelegenheit gehabt hatte dessen älteren Bruder bei der Arbeit mit einer TK 5 zu beobachten. So eine musste er auch haben. Doch sein Vater hatte dem Jungen keine Grundig kaufen wollen. [22]
In 1956, an entry level Grundig, the TK 5, costs 52 guineas (54,60 GBP). The national average wage was about 15 GBP a week.“ [15] Cole hatte später immer wieder behauptet, das Geld für das Bandgerät mit Zeitungs-Austragen verdient zu haben. In den Fünfzigern hätte man damit allerdings pro Woche kaum „5s (25p)“ verdienen können. Woher auch immer, er bekam seine Grundig.
Nachdem er sein Bandgerät ausprobiert hatte, ging er in die Welt hinaus, um interessante Klänge aufzuzeichnen. Das reichte ihm nicht lange: Wegen der seltenen „coma victims“ [15]. Nach dem Vorbild des Band Leaders und Radio-DJ's Jack Jackson begann Cole mit dem Tonbandgerät zu experimentieren um neue Formen von Ansagen und Jingles zu erfinden. Doch um eigene Shows, wie die Musiksendungen von Jackson oder so etwas wie The Goon Show zu produzieren, reichte eine TK5 nicht aus. „... in other words, you need two Grundigs.“ [15]
Mit Fünfzehn verließ er die Schule, begann zu arbeiten, verdiente 7,10 GBP die Woche. „The job did, however, provide him with the means at least partly to subsidise his escalating Grundig habit. He acquired his second tape recorder and, by fiddling with wires, hooking in the family grammophone and soundproofing the odd spot of wall with egg-boxes, figuered out how to be Jack Jackson. There is, in fact, no end of stuff you can do with two tape recorders.“ [15]
Das, so seine Biographen, war der Grundstein für die Karriere der britischen Radio- und Fernseh-Ikone Kenny Everett gewesen. ...
Stapelbüttel von einem ganzen Haufen Quatsch
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Die TK5 - Grundigs erster rotierender Bestseller - von Matthias M - 26.01.2016, 21:26
Koffer, aber nicht nur. - von Matthias M - 26.01.2016, 21:44
Mechanik. - von Matthias M - 26.01.2016, 21:59
Bedienung. - von Matthias M - 26.01.2016, 22:02
Zerlegifix komplettibus. - von Matthias M - 26.01.2016, 22:06
Service. - von Matthias M - 26.01.2016, 22:09
Einordung und Quellen. - von Matthias M - 26.01.2016, 22:12
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[Kein Betreff] - von Ragnar_AT - 28.01.2016, 14:42
[Kein Betreff] - von Matthias M - 28.01.2016, 15:12
[Kein Betreff] - von maddin2 - 28.01.2016, 19:03
[Kein Betreff] - von Matthias M - 29.01.2016, 14:01
[Kein Betreff] - von maddin2 - 29.01.2016, 19:18
Noch mehr zum TK5 - von Vollspurlöschkopf - 01.02.2016, 21:11
[Kein Betreff] - von Matthias M - 02.02.2016, 13:41
[Kein Betreff] - von nick_riviera - 04.02.2016, 11:12
[Kein Betreff] - von Matthias M - 04.02.2016, 18:25
[Kein Betreff] - von maddin2 - 04.02.2016, 21:58
[Kein Betreff] - von cisumgolana - 05.02.2016, 10:09
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[Kein Betreff] - von maddin2 - 07.02.2016, 10:42
[Kein Betreff] - von Ragnar_AT - 07.02.2016, 13:07
[Kein Betreff] - von nick_riviera - 07.02.2016, 18:43
[Kein Betreff] - von besoe - 07.02.2016, 18:59
[Kein Betreff] - von Matthias M - 07.02.2016, 21:17
[Kein Betreff] - von nick_riviera - 08.02.2016, 18:44
[Kein Betreff] - von leserpost - 06.09.2016, 07:31
[Kein Betreff] - von uhrjeckholgi - 06.09.2016, 08:40
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[Kein Betreff] - von Vollspurlöschkopf - 07.09.2016, 11:49
[Kein Betreff] - von Bandomatic1 - 08.09.2016, 12:36
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