Flachmann für unterwegs: Optacord 412
#1
Hallo,

Loewe-Opta Optacord 412.... Hier wird es beschrieben:

Funkschau 1962 Heft 9 : Franzis Verlag : Free Download, Borrow, and Streaming : Internet Archive

Schau an, direkt daneben dicke Werbung fürs Report, bestimmt kein Zufall.

Ein "repräsentatives Gerät" liest man dort. Technisch gesehen war es damals für seinen Zweck bestimmt richtig gut.

Ich habe mal Ende der 80er eines geschenkt bekommen, vermackelt, Deckel fehlte. spielte nicht...ich hab es damals als 
Plastikgurke angesehen und auf den Speicher geworfen, es wird wohl noch dort liegen.

Die Tage bot sich eines als Beikauf an, vielmehr es hat sich nicht selbst angeboten, sondern der Besitzer wollte es mir günstig mit obendrauf geben. Erst war ich skeptisch (Plastikgurkenerinnerung), dann habe ich aber zugegriffen, weil das Ding noch ganz gut erhalten zu sein schien, mal gucken...

Auf den ersten Blick sieht es wirklich sehr trist aus, gräulicher Plastiklook, aber das war halt der Zeitgeschmack.
Das Bunte der späten 50er wollte 1961/62 anscheinend niemand mehr.

   

   

Beide Deckel lassen sich aufklappen, erst mal oben:

   

Recht übersichtlich ist es schon, das reichliche Lautsprechergitter fällt auf (da ist auch ein recht großer Lautsprecher drunter).
Kopfabdeckung runter, leider sieht man nicht viel, macht aber soliden Eindruck:

   

Unteren Deckel ab:

   
Zeitkapsel! Schon wieder so ein Teil, das ewig unbenutzt irgendwo bei Onkel Heinrich im Schlafzimmerschrank gestanden hat. 
Sogar das originale Mikrofon ist noch dabei, klasse!

   

Pappe ab:

Oh, wieder der Schaltplan, eine Aufmerksamkeit des Hauses:

   

   

Ein Blick auf den Antrieb, wieder ein wippgelagerter Motor, dessen Rolle auf dem Capstanrad rollert. Bin skeptisch, ob das noch läuft. Der Gummibelag scheint aber noch ganz ok zu sein.

   

Platine und Laufwerk:

   

   

Jetzt sieht man spätestens, dass das 412 gar keine Plastikgurke ist, sondern die Mittelsektion aus stabilem Druckguss besteht, der außen mit Kunstleder tapeziert wurde. Die Verarbeitung ist gar nicht übel, die Bauteile auf der Platine sind hochwertig...
ach ja, ich vergaß es eingangs zu erwähnen, das Ding funktioniert noch!

Wieder zugeklappt und angeworfen.

Aufnahme! Da zappelt das Ausrufezeichen der DM 71 Anzeigeröhre (die späteren Ausführungen 414 und 416 hatten bereits ein Zeigerinstrument). 
Sieht aber niedlich aus:

   

Vom Klang her ist es durchaus ok, macht als Köfferchen dank des großen Lautsprechers ganz schön Alarm und klingt nicht "billig". 

Umspulen tut es ganz flott, da kann man nicht meckern, besonders nicht, weil das 412 mittlerweile 60 Jahre auf dem Buckel hat!
Heutige Unterhaltungselektronik 60 Jahre halten? Vergiss es!

   

Ein unscheinbares Aschenputtel, das jedoch bei näherer Betrachtung durchaus interessant und gar nicht mal so schlecht ist.

Jetzt muss ich aber aufräumen, sonst kriege ich geschimpft! Hier sieht man im Vergleich zu anderen Methusalemen die Größe und flache Bauweise des 412:

   

Gruß
Peter S.
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#2
Grosse Klasse - danke für die Vorstellung.

Die technischen Daten des 11cm-Spulen-Spulers lassen sich im übrigen sehen. Bei 9,5cm/s (...was schon seltener für solche Klein-TBG ist) stellt sich laut Werksspezifikation ein Gesamtfrequenzgang von 50-12000 Hz ein.  Erstaunlich allerdings ist das recht hohe Gewicht
von 4 kg. Das allseits als beliebte Referenz für "Tragbare" herangezogene Uher Report liegt wohl ein knappes Pfund darunter.

Trotzdem, da schlägt bei mir das "Haben-Will-Instrument" ganz heftig aus. Big Grin

Nachtrag: der Funkschau-Bericht spricht von Halbspur (Internationale Doppelspur), gibt aber als Spieldauer "2x60 Min" (Triple Band) an. Demnach wird es sich um ein Mono-Gerät handeln (was bei solchen Geräten nicht unüblich war).

Gruß
Peter
Time flies like an arrow. Fruit flies like a banana. (...soll Groucho Marx gesagt haben, aber so ganz sicher ist das nicht...)
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#3
Hallo Peter!

So schnell die angekündigte Vorstellung des 412 in Deiner
unnachahmlichen Wortwahl und vielen Bildern - Klasse & vielen Dank.

Ich muß zugeben, daß ich auf die anderen tragbaren
Kleinspuler (egal welchen Fabrikats), immer ein wenig
herabgeblickt habe. Hatte ich doch schon 1962 mir das
damals sündhaft teure 4000 Report (Typ 2) erarbeitet.

Aber, so ein 412 (oder auch 414/416) stünde unserem
Museum auch gut an.

Weiter so mit solchen Informativen und blumig geschriebenen
Vorstellungen.

Gruß
Wolfgang
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#4
Hallo Peter,

vielen Dank für die Vorstellung mit schönen Bildern, es immer wieder eine Freude, deine Beiträge zu lesen.

MfG,Tobias
Strom kann erst dann fliessen, wenn Spannung anliegt.
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#5
Da reihe ich mich ein - so ist es, danke!

Grüße
Erhard
Ich freue mich, wenn es regnet, denn wenn ich mich nicht freue, regnet es trotzdem. Karl Valentin
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#6
Hach, das salbt aber!

Freut mich, bei der Arbeit hab ich genug Ernstes und um uns drumherum sieht es auch
wahrlich schlimm aus...da kann eine Nische Abschalten nicht schaden.

Vielleicht hab ich gleich noch einen auf Lager, dann wirds aber richtig klein!
"Dieses Band wird sich in fünf Sekunden selbst vernichten. Viel Glück, Jim. Kobra, übernehmen Sie!“
Tssscccccchhhhhhht!
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#7
Auch von mir ein Dankeschön für die Vorstellung dieses Geräts.

Anno 1961/62 war das Erscheinungsbild dieses Modells hochmodern, zukunftsweisend, wie ich finde.
Andere Hersteller hatten da noch abgerundete Koffer und Braun-Grün-Elfenbein-Farbtöne im Stil der 50er im Angebot.

Ebenfalls sehr ansprechend: die superflache Bauform.

Bemerkenswert auch die Koexistenz von Transistor- und Röhrentechnik, vor allem wenn - wie hier - die alten Germanen knechten müssen, um die Heizleistung der Röhre zu erbringen.

Gruß
TSF
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#8
Im Jahr 1961 , ich war damals gerade 15 Jahre jung , habe ich mir vom Konfirmationsgeld und meinen Ersparnissen das Loewe Opta Optacord 412 gekauft. Soweit ich mich noch erinnern kann hat es damals 398,00 DM gekostet. Das Gerät hat mir sehr viel Freude bereitet. Nachdem ich in unser Blaupunkt Radio eine Diodenbuchse einbauen durfte, war auch der Klang übers Radio sehr gut. Besser jedenfalls als übers Tonbandgerät, weil dort immer ein leicht wahrnehmbares Verzerren vorhanden war. Leider fing das Gerät noch während der 6-monatigen Garantiezeit zu leiern an. Ich habe es dann eingepackt und direkt an das Werk geschickt. Zwei Wochen später erhielt ich es kostenlos repariert zurück. Es funktionierte wieder perfekt.Leider war kein Reparaturbericht dabei. Den erhielt ich nach zwei weiteren Wochen zugeschickt. Telefon hatten wir noch nicht. Man hat die Schwungmasse mit der Capstanwelle getauscht. Wie war denn das möglich? Aber das Gerät funktionierte ja, und das war die Hauptsache. Das besondere am 412 war die flache Konstruktion und natürlich die Netzunabhängigkeit. Im Jahr 1963 habe ich das Tonbandgerät dann schweren Herzens verkauft, weil ich Geld für die Anzahlung eines Mopeds benötigte. Die Wahl fiel auf ein Dürrkopp Mokick "Dianette". Auch sie hat mir treue Dienste geleistet. 1965 wollte ich dann unbedingt ein neues Tonbandgerät mein eigen nennen. Die Wahl fiel auf das UHER 4000 Report S. Und alle weiteren UHER Modelle folgten dann. Nach dem Royal de Luxe kam dann die Revox A 77 ins Haus. Dieses Gerät hielt lange die Stellung, Viele Jahre später wurde sie von der B 77 abgelöst.
Im fortgeschrittenen Alter erinnerte ich mich an meine alte UHER-Leidenschaft. In mir reifte der Entschluß ein Buch über UHER zu schreiben.Durch eine glückliche Fügung lernte ich Andreas Flader kennen, der eine ähnliche Leidenschaft entwickelte. Kurzum taten wir uns zusammen und schrieben die Geschichte der UHER-Werke München gemeinsam. Der Gerätepark der Firmen UHER, aber auch REVOX hat sich inzwischen vervielfacht. Natürlich hat auch das Optacord 412, das ich günstig ersteigern konnte, einen Ehrenplatz.
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#9
Hallo Peter,

danke für "Deine" Tonbandgeschichte.
Nun wissen wir, wie "die Geschichte der Uher-Werke München" zustande kam. :-)

Schöne Grüße
Frank
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#10
Sehr schöne Geschichte, an den Dürkopp-Werken bin ich als gebürtiger Bielefelder oft vorbeigefahren, oder als Kind vielmehr vorbeigefahren worden.
Und, vielen Dank für das Buch, habe sehr viel darin gestöbert.

Gruß
Peter S.
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